Fabian Eberhard, Journalist bei der SonntagsZeitung, deckte im vergangenen Jahr auf, dass dutzende Neonazis ungehindert Militärdienst leisten. Seine wichtigste Quelle bei der Recherche: das soziale Netzwerk Facebook. Im Erzählcafé berichtet er von seinen Erfahrungen und spricht über die verdeckte Recherche.
Als vor einem Jahr in Deutschland die NSU aufgefallen ist, bekam Fabian Eberhard einen Hinweis von einem Informanten, dass deutsche Neonazis in Luzern ein Schiesstraining absolvieren würden. Dem Informanten dienten dabei Facebook-Screenshots von Statusmeldungen und Bildern als Beweis.
Eberhard realisierte dadurch, dass das soziale Netzwerk Facebook ihm viele Türen öffnen könnte. Er richtete sich einen Fake-Account ein und schickte bekannten Schweizer Neonazis Freundschaftsanfragen. Schnell erfuhr er dadurch Interna aus der Szene, erhielt sogar selbst Freundschaftsanfragen. Schliesslich stiess er auf jemanden, der Bilder von sich in der Armee gepostet hatte. Eberhard beschloss, nach weiteren Neonazis im Militär zu suchen, anstatt die Geschichte über diesen einen Fall zu veröffentlichen. Er durchforstete die Facebook-Profile und -Gruppen nach weiteren Beweisen und Hinweisen.
Facebook-Freunde in der Armee
Bei allen Namen, die er fand, machte er Rückchecks via Google und suchte nach einer zweiten Quelle. Schliesslich konnte er rund 30 Personen zusammentragen, die in der Armee Dienst leisteten, und bei denen er sich sicher war, dass es sich um Neonazis handelte. Eberhard konfrontierte die Armee mit seiner Recherche, sprach mit Politikern und schrieb die besagten Neonazis unter seinem normalen Namen auf Facebook an. Er erhielt kaum Rückmeldungen.
Bei der Fachstelle für Extremismus in der Armee forderte er via Öffentlichkeitsgesetz einen Jahresrapport an. Obwohl die Namen geschwärzt waren, erfuhr Eberhard aus dem Rapport weitere Details, die er für seinen Artikel benutzten konnte.
Relevanz und Verhältnissmässigkeit stehen zuoberst
Eberhard sagt, er habe sich rechtlich gesehen an zwei Dingen orientiert: Einerseits habe er mit dem Hausjuristen alles abgesprochen und geschaut, wen man anonymisieren sollte und was man im Text verraten durfte. Der zweite wichtige Leitfaden war die vom Presserat veröffentlichte Checkliste zur verdeckten Recherche.
Durch seine Facebook-Kontakte erfuhr Eberhard immer wieder von Veranstaltungen für Neonazis. «Ich hätte viele Geschichten veröffentlichen können, die ich bewusst nicht gemacht habe», sagte er. Es sei wichtig, dass die verdeckte Recherche verhältnismässig sei, das heisst, dass ein übermässiges öffentliches Interesse bestehe. Mittlerweile hat Eberhard den Fake-Account bei Facebook gelöscht. [Ramona Thommen]
One comment