Um bei komplexen Wirtschaftsrecherchen den Durchblick zu bewahren, kann man einiges von der Kriminalistik lernen: „Das sind zwei Berufwelten, die beide mit grossen Datenmengen umgehen müssen“, sagt Wirtschaftsjournalist Leo Müller von der Bilanz. Die Investigativ-Geschichte wie die des Anlagebetrugs im Fall Dieter Behring hat er mit Systematik zu Tage gefördert.
Der Prozess einer Recherche sei der einer Spirale, sagt Müller. Zu Beginn bewegt man sich am Rande einer Geschichte. Mit der Zeit stösst man immer mehr ins Zentrum einer Story vor. „Diese erste Phase ist wichtig, um zu verstehen, mit wem man es zu tun hat“. Dafür sei besonders die Advanced-Search auf Google nützlich. Denn nur exakte Such-Strings helfen, damit man sich nicht im digitalen Datenmeer verliert.
Auf dem Weg ins Zentrum der Recherchespirale spielt die Suche im Hidden-Web eine zentrale Rolle: „Dort findet man Dokumente und Datenbanken, die nicht über Google zugänglich sind.“ Beispiele dazu sind: LexisNexis, Whois, Waybackmachine oder Zefix.
Das Datennetz ist fein verästelt
Wie im Fall Behring sei es wichtig, jeweils die internationalen Vernetzungen zu berücksichtigen. Dazu gibt es Handelsregister-Datenbanken (z. B. bundesanzeiger.de oder companieshouse.gov.uk), Offshore-Register (z. B. offshorealert.com oder gomopa.net) oder Gerichtsdatenbanken (z. B. Bundesstrafgericht oder beck-online.de).
Wenn sich die Recherche-Kaskaden immer weiter fortsetzen sollte man dabei das Telefon nicht vergessen: „Die Recherche findet nicht bloss vor dem Bildschirm statt.“ Man müsse verstehen, was beispielsweise ein Hedgefund-Manager macht oder was eben „verbriefte Papiere“ sind.
Strukturen fördern die Story zu Tage
Danach heisst es, die Resultate einer Recherche zu bündeln und miteinander in Relation zu zusetzen – Müller nennt es die Lernrecherche. „Um die Daten analysieren und verstehen zu können, muss man Chronologien schaffen“, rät er. Das dient als Denkwerkzeug, um Fakten zu sortieren und Beweismittel zu extrahieren. „Durch die Chronologisierung (z. B. mit Casemap) findet man oft die Story.“ Es wird ersichtlich, wer mit wem wie in Verbindung steht und wie sich ein Fall – wie der des Financiers Behring – wirklich abgespielt hat. [Laurina Waltersperger]